Bewegungstempo im Krafttraining

Bewegungstempo im Krafttraining

Zu Beginn meiner Arbeit als Trainer habe ich in einem großen Fitnessstudio auf der Fläche gearbeitet. Ein häufiger Bestandteil der Arbeit war, Neumitgliedern des Studios Trainingsprogramme zu schreiben.

Ein Parameter, der wohl am wenigsten Beachtung erhielt, war das Bewegungstempo der Übungen im Krafttraining.

Bewegungstempo im Krafttraining und die Phasen der Bewegung

Eine Bewegung beim Krafttraining kann in 4 Phasen unterteilt werden:

Die Ablassphase des Gewichts mit der Schwerkraft

Die Pause am unteren Punkt

Die Anhebephase des Gewichts gegen die Schwerkraft

Die Pause am oberen Punkt

In einem gut geplanten Trainingsprogramm ist jede der Phasen beschrieben und sinnvoll geplant.

Bewegungstempo im Krafttraining und unterschiedliche Wirkungen

Technisch gesehen findet die Angabe des Bewegungstempos mittels 4 Zahlen, jeweils in Sekunden, statt. So ist ein häufig verwendetes Tempo 4-0-1-0. Wir starten beim Beschreiben immer mit der Ablassphase. Im Beispiel wird ein Gewicht also 4 s abgelassen, es findet keine Pause am tiefsten Punkt statt, das Gewicht wird in 1 s gegen die Schwerkraft zum höchsten Punkt angehoben, an welchem keine Pause stattfindet.

In der Praxis macht es einen gewaltigen Unterschied, ob ich bei einer Kniebeuge für 10 Wiederholungen eine Ablassphase von 4 s oder 1 s habe.

Ein typisches Phänomen, welches in Fitnessstudios zu beobachten ist, ist das viele Sportler ohne konkrete Vorstellung des Bewegungstempos trainieren und in der Regel das Gewicht in 1-2 s ablassen. Diese Variante kann in bestimmten Fällen tatsächlich von Vorteil sein, birgt für die meisten Sportler, speziell zu Beginn der Trainingskarriere aber Nachteile. Gleichermaßen profitieren Sportler von einem langsameren Ablassen des Gewichts.

Langsames Ablassen steigert die Kraftzunahme

Im Krafttraining geht es in erster Linie darum, die Maximalkraft zu steigern. Das muss nicht zwingend konstant durch ein Maximalkrafttraining stattfinden (Training im sehr niedrigen Wiederholungsbereich 1-4). Auch höhere Wiederholungszahlen lassen die Maximalkraft steigen. Unabhängig des Wiederholungsbereichs, der die Intensität des Trainingsreizes definiert, spielt der exzentrische Bewegungsanteil eine große Rolle für den Kraftaufbau. Fokussieren wir diesen im Training, haben wir einen guten Reiz, dass Kraftzuwächse entstehen.

 

Nutze Pausen im Bewegungsablauf für gezielte Überladung oder mehr Kontrolle

Kontrolle ist ein gutes Stichwort: Wenn wir in der tiefsten Position der Kniebeuge eine Pause von z.B. 3 s einhalten (4310 Tempo), sorgt das dafür, dass vorhandene elastische Energie des Bindegewebes umgewandelt wird und wir lernen das Gewicht aus einem nahezu toten Punkt zu beschleunigen. Wenn wir dieses Schema für einen Monat im Programm verwenden wird im folgenden Programm die Bewegungskontrolle am tiefsten Punkt deutlich besser sein.

Ein zweiter Grund für Pausen kann sein, dass wir einen bestimmten Punkt der Übung überladen wollen. Ein gutes Beispiel sind z.B. Ruderbewegungen. Hier ist der schwächste Punkt der Bewegung der obere Punkt also der, in dem sich der Muskel maximal verkürzt. Fügen wir hier eine Pause von z.B. 2 s ein (3012 Tempo), erhöht das die Spannung und Zeit, die sich der Muskel in dieser Position befindet und sorgt für einen gezielten Kraftzuwachs in dieser eigentlichen schwächsten Position.

Langsames Ablassen erhöht die Kontrolle der Bewegung

Um ein Gewicht sauber bewegen zu können braucht es ein hohes Maß an Bewegungskontrolle. Diese Verbesserung, vor allem der Intermuskulären Koordination (Zusammenspiel der verschiedenen an einer Bewegung beteiligten Muskeln) und des Bewegungsmusters findet konstant während des Trainings statt. Führe ich eine Übung mit sehr hohem Tempo durch, wird das Bewegungsmuster direkt unsauberer und gleichzeitig sinkt auch der Lerneffekt für das Bewegungsmuster.

Ein zusätzlicher Vorteil einer kontrollierten exzentrische Bewegung ist auch die bessere Startposition für die nächste Wiederholung. Lasse ich die Kurzhanteln beim Kurzhantelflachbankdrücken mit neutralem Griff kontrolliert zum tiefsten Punkt neben der Schulter ab, bei dem die Hantel noch Kontakt zum Deltamuskel hat kann ich die Hantel sehr viel besser nach oben beschleunigen als wenn ich mit der linken Kurzhantel auf dem Brustmuskel aufschlage und die rechte Kurzhantel mit 5 cm Abstand zur Schulter nach außen schlingert.

Vorteil von schnellerem Ablassen

Ein Rechenbeispiel: In einem Trainingsprogramm werden Kniebeugen mit Fersenerhöhung durchgeführt. Im ersten Beispiel 4 Wiederholungen mit einem 4010 Tempo. Variante 2 findet mit 10 Wiederholungen und einem 1010 Tempo statt.

Variante 1: Das Tempo ist 4010 für 4 Wiederholungen

In diesem Fall dauert ein Satz 20 s. Der Anteil der exzentrischen Belastung (dem Ablassen des Gewichts gegen die Schwerkraft) umfasst 80 % der Satzzeit. Nur 20 % sind dem energieaufwändigeren und laktatproduzierenden konzentrischen Anteil (Gewicht wird gegen die Schwerkraft gehoben) der Bewegung vorbehalten.

Variante 2: Das Tempo ist 1010

In diesem Beispiel dauert der Satz 20 s und der Anteil Exzentrik-Konzentrik ist 50%. Durch den höheren Anteil an Konzentrik (4 s in Beispiel 1 vs. 10 s in Variante 2) ist der Energieverbrauch des 2. Programms deutlich höher. Das mehr anfallende Laktat muss energieaufwändig im Nachgang abgebaut werden, wodurch der Kalorienverbrauch über Stunden bis zu 1,5 Tage signifikant erhöht ist.

Fazit: Um einen stärkeren Bewegungsreiz für Körperfettverlust zu erzielen, kann eine Veränderung des Verhältnisses von weniger Exzentrik zu mehr Konzentrik  sinnvoll sein. ABER: Je mehr Gewicht ich bei einem solchen verhältnismäßig schnellen Tempo kontrolliert bewegen kann desto höher ist mein Output an Laktat und desto mehr Effekt habe ich auf den Körperfettverlust.

ALSO: Zu Beginn ist es fast immer sinnvoller, ein relevantes Maß an Maximalkraft aufzubauen – was das Training mit längerer Exzentrik zur Methode der Wahl macht.